„Die Feuerzangenbowle“ von Heinrich Spoerl ist geprägt von einem Sprachstil, der einzigartige und längst unvergesslich gewordene Sätze und Zitate hervorgebracht hat wie: „Met der Schole est es wie met einer Medizin: sä moss bitter schmecken, sonst nötzt se nechts!“, „Da stelle mer uns janz dumm…“ oder „Sä waren noch auf keiner Anstalt? Das spört man“.
Beim Schreiben der Songtexte für unser Musical bestand die Herausforderung darin, diesem Sprachstil mit neuen und hoffentlich ebenso eingängigen Strophen und Refrains gerecht zu werden und die Geschichte so zu ergänzen, dass sowohl die Handlung vorangebracht wurde, als auch die Figuren des Stückes eine tiefere Charakterzeichnung erfahren konnten. Denn bei allem Humor und Wortwitz geht es in diesem Stück, wie so oft auf der Bühne, um Menschen in ihren verschiedenen Lebenssituationen. Menschen verschiedenen Alters mit unterschiedlichen Erfahrungen, Wünschen, Sehnsüchten und Träumen, die alle Wege suchen, um die kleinen und großen Schwierigkeiten des Alltags zu meistern; innerhalb und außerhalb der Schule.
So schwärmen beispielsweise die Pennäler in Pfeiffers Klasse für die Schülerinnen der Mädchenschule, dem „Lyzeum“, an denen laut Spoerls Roman das Pikante ist, „dass man noch nicht weiß, was wird. Darauf beruht ihre Beliebtheit bei jedermann, auch bei den Primanern.“ Rosen, Knebel und Melworm verleihen ihren Bedürfnissen bei diesem Thema mit sehr eindeutigen Subtexten im Dialog Ausdruck.
Aus diesem Moment entstanden die Idee und der Text für den Song „Ich wär‘ so gern die Krabbe auf deinem Kanapee“ (Nr.9). Die Grundlage, bzw. das Motto bildete hierbei das Sprichwort: „Liebe geht durch den Magen.“ Dass es bei unserem postpubertären Männer-Chanson nur bei der Wunschvorstellung eines Techtelmechtels bleibt und nicht direkt formuliert wird, wird durch den Einsatz des Konjunktivs „ich wär‘ so gern“ deutlich. Womit wir wieder bei der Verknüpfung zum Roman sind, denn dort heißt es ganz klar an entsprechender Stelle: „Ein Pennäler hat einen Schwarm, eine Flamme; vielleicht auch eine unsterbliche Geliebte. Aber ein Pennäler hat kein Verhältnis (>>Dat krieje mer später<<).
Auch die Tochter des Direktors des Gymnasiums, Eva Knauer, drückt ihre Sehnsucht in einem Song aus. In „Vielleicht ist er bald hier…“ (Nr.11) wird der Text vom Motiv eines Märchenprinzen geprägt. Die Romantik, der sich Eva hingibt, wird immer wieder durch die harte Realität ihres sozialen Umfeldes (berufliche und familiäre Verpflichtungen und die Erwartungen ihres strengen Vaters) getrübt und bekommt damit noch größere Bedeutung. Kurz vor dem Ende dieser Jazzballade gibt es einen Hoffnungsschimmer, der wiederum in einem Märchenmotiv zum Ausdruck kommt: „…kleines Evchen ohne Hans im Glück…“. Zum Einen wird damit auf die Kurzform von Pfeiffers Vornamen „Johannes“ angespielt, zum Anderen kündigt sich hier bereits etwas Großes an, ohne dass Eva die Ironie ihrer eigenen Worte erkennt: Ihre große Liebe steht schon vor der Tür.
Pfeiffer muss sich als „frisch gebackener“ Pennäler schon an seinem ersten Tag mit der Hierarchie innerhalb des Klassenraums auseinandersetzen. Denn dort hat die „wahre 13c“ das sagen: Die Clique von Rosen, Melworm, Ackermann, Knebel, Luck und Husemann. Der Umstand, dass ein handelsübliches Kartenspiel (ob nun Skat oder Doppelkopf) sich zahlenmäßig eigentlich anders zusammensetzt, wird im Vorstellungslied „Fünf Asse und ein Bübchen“ (Nr.4) von Pfeiffers neuen (und allerersten) Mitschülern bewusst ignoriert. Vielmehr verdeutlicht dieser Teil des Refrains, dass die Jungs entgegen der Tradition gern nach ihren eigenen Regeln spielen. Außerdem fungiert der Song auch als „Feuertaufe“ für Pfeiffer.
Die Clique fragt ihn schließlich: „Das Gymnasium ist ‘ne Qual, bringst du’s schnell mit uns auf Trab?“ Anders gesagt: „Wir würden uns freuen, wenn du unser neuer Mitspieler wirst, hast du das Zeug dazu? Denn unsere Gegner sind gewieft. Aber sie durchschauen immer mehr unsere Taktik.“ Das lässt sich Pfeiffer nicht zweimal sagen und er rückt bald durch seine neu etablierten „Spielregeln“ (Die Streiche, die er ausheckt) immer weiter Richtung „Sitz der Obernarretei“. Bis er schließlich erkennen muss, dass es besser ist, anderen das Spielfeld zu überlassen, dass er nun einmal keine Achtzehn mehr ist und am wichtigsten: dass es beim Spielen nicht darum gehen sollte, zu gewinnen.
Zu den Zeiten, in denen unser Musical spielt, konnte es selbst den Fleißigsten überfordern, eine ganze Woche lang aufmerksam in der Bank zu sitzen und den Ausführungen der Lehrer zu lauschen. Wenn der zu vermittelnde Stoff dann auch noch rhetorisch gleichförmig oder mit Desinteresse an der Zielgruppe vorgetragen wurde, war es mit der Langeweile nicht weit her. Stillsitzen, Energie aufstauen und die immer gleichen Abläufe: Eine Mischung, der jede Schülerin und jeder Schüler irgendwann schon aus Prinzip entgegenwirkt. Heute hält sich die diesbezügliche Kreativität in vielen Klassenzimmern eher in Grenzen. Damals hatte die Aussage „Not macht erfinderisch“ noch mehr Gewicht: Man stellte sich der eigenen oder kollektiven Langeweile und vertrieb sich, wo immer dafür im Unterricht der Raum war, auf vielfältige Weise die Zeit. „Käsekästchen“ oder „Schiffe versenken“ konnten ohne großes Aufsehen mit dem Banknachbar gespielt werden. Natürlich machte den Reiz und den Nervenkitzel dabei auch aus, nicht erwischt zu werden.
In unserem Musical greift die Szene, in der Professor Bömmel über „de Dampfmaschin‘“ referiert das oben beschriebene Thema auf, geht aber noch einen Schritt weiter: Rosen und Melworm spielen offensichtlich und unverblümt Karten, um Bömmel zu zeigen, was sie von der Qualität der Unterrichtsstunde halten. Von Bömmel bleibt dies nicht unbemerkt: „Haste wenigstens en jotes Blatt, Jong?“. Diese Textzeile verdeutlicht wiederum, dass Bömmel Anteil am Schicksal seiner Schüler nimmt, ja, es ein stückweit teilt. Denn er selbst war ja auch mal einer. Die Jungs nutzen sein Verständnis und Wohlwollen jedoch schamlos aus und verstecken einen seiner Schuhe. So gipfelt die Szene schließlich in dem Swing-Stück „Bäh, wat habt ihr für ne fiese Charakter!“ (Nr.7) Bömmel erinnert sich an die „jode, ahle Zick“: „De Jongens lauschten en d’r Bank und dem Majister jalt der Dank.“, während er auf einem Bein durch die Klasse hüpft und partout nicht den unbeschuhten Fuß auf den Boden setzen will –
denn sonst würde seine Autorität vollständig untergraben. Er weiß: Der Lehrplan geht vor, ob es seinen „Jüngelchen“ nun passt oder nicht. Und er muss trotz aller Gutmütigkeit erkennen: Lehrer bleibt Lehrer und Schüler bleibt Schüler – und die von heute sind längst nicht mehr das, was sie einmal waren…
Das Lehrer-Schüler-Verhältnis wird auch in der allerersten Szene aufgegriffen: Die alten Herren des Zirkels der Feuerzangenbowle, die sich im Gasthaus mit Dr. Pfeiffer zum Stammtisch treffen, besingen mit einem lachenden und einem weinenden Auge in „Wie wird ein Pauker denn zum Or‘ginal?“ (Nr.2) ihre verstorbenen Lehrer und die Streiche, die sie ihnen gespielt haben. Die Struktur und das Metrum der Strophentexte orientiert sich dabei bewusst am Limerick: ein gereimter Witz mit Schlusspointe. Er kommt heute nur noch selten vor, kann aber dennoch zum Schmunzeln verleiten und (vor allem für die älteren Generationen) eine ähnlich nostalgische Atmosphäre verbreiten, wie die Erinnerungen an die längst vergangene Schulzeit.
Nr. 3 (Pfeiffer)
Nur einmal in die Schule gehn!
Nur einmal eine Klasse von innen sehn!
Nur einmal möchte ich ein echter Junge sein,
So ein richtiger Pennäler! ...
Nr. 4 (Oberprimaner)
Ja, wir sind
Rosen, Melworm, Ackermann,
Knebel, Luck und Husemann,
Mit mehr im Oberstübchen!
Fünf Asse und ein Bübchen! ...
Nr. 6 (Oberprimaner)
... Er ist der König der Lehranstalten,
führt sie mit allen Naturgewalten.
Sei auf der Hut vor Göttervater
Zeus!
Bäh wat habt ihr für 'ne fiese Charakter
Nr. 7 (Bömmel)
... Bäh wat habt ihr für 'ne fiese Charakter!
Ne, dat kriejen isch nit in de Schädel erin.
Bäh wat habt ihr für 'ne fiese Charakter!
Is et dann nüdisch, müsst ehr esu biestisch sin? ...
Die schöne, holde Unschuld
Nr. 8 (Mädchenchor)
Oh schöne, holde Unschuld! Ach magst du ewig sein?
Im Heime meines Herzens bin ich doch sanft und rein.
Du bist mein Licht, das leuchtet, gehst so wie ich nicht aus
Und treu wirst du geleiten mich auf dem Weg nach Haus. ...
Ich wär' so gern die Krabbe auf deinem Kanapee
Nr. 9 (Oberprimaner)
Ich wär‘ so gern die Krabbe
Auf deinem Kanapee!
Ich wär‘ so gern der Beutel
In deinem Tässchen Tee!
Und wenn du deine Suppe schlürfst
So stilvoll und so fein
Möcht‘ ich so gern der Löffel
In deiner Schüssel sein! ...
Nr. 10 (Prof. Crey)
Jeder Schöler för sech est ein O - ne–kat,
Zu bewerten bleibt, was er tot oder tat.
Doch es gibt etwas, das mich zu Staunen heißt
Und auf folgende Frage verweist:
Mäserabel äm Aufsatz, doch jäderzeit
Beläsen und gescheit.
Kann denn eine Zensor da schon alles sein,
Fängt sä ganz sein Wäsen ein? ...
Nr. 11 (Eva)
... Ein Prinz,
Der sich vor mir verneigt
Und mir das Leben zeigt
Ich spür‘s –
Vielleicht ist er bald hier!
Nr. 14 (Prof. Crey & Oberprimaner)
Dä Wässenschaft verährte stäts den wahren Geist des Weines
Was lange gärt wärd endläch got ond lehrt vor allem eines;
Sowohl än der Phälosophie als auch än der Chämie:
„Än väno veritas“! Drom heran ond kosten Sä! ...
Nr. 14 (Direktor Zeus)
... So geht es einfach nicht mehr weiter.
Ich bin empört! Ich bin verstört!
Weiß denn niemand mehr, was sich gehört?
Wieder Tumult an jedem Pult!
Das hier ist meine Schule und ich bin immer noch ihr Leiter! ...
Nr. 16 (Pfeiffer)
Bin ich jetzt verrückt oder nur verliebt?
Ist doch völlig egal!
Hauptsache ist, dass man sich richtig gut versteht
Und zusammen geht, dieses Mal!
Ich frage:
Soll ich mit ihr zieh‘n oder wieder flieh‘n?
Ich will Liebe total!
Nie wieder unglücklich sein,
Ja, ich kann es seh’n,
Wie wir zusammen geh’n.
Bin verliebt. ...
Nr. 17 (Marion)
... Wo isser denn, der Doktor Pfeiffer?
Ick bin wohl seine Braut!
Wann wird er endlich reifer?
Ick fahr‘ gleich aus der Haut!
Er liebte doch die alte Schule
Und war mein Rosenkavalier…
(Sie wird auf die Adresse in Babenberg aufmerksam.)
Bist du wirklich, wo ich dich vermute?
Na warte Hans, dich kauf‘ ich mir!
Nr. 18 (Szenische Ouvertüre (II) )
Darstellung der Ereignisse in Stummfilmmanier
Nr. 19 (Marion & Pfeiffer)
Marion setzt im Tanz die Waffen einer Frau ein.
Nr. 20 (Eva & Pfeiffer)
Eva:
Brauchst du denn das Abitur?
Stell dich einfach dumm und stur!
Komm‘, verhau jede Klausur
Als tragische Figur!
Pfeiffer:
Ja, ich vergeig‘ das Abitur,
Stell‘ mich dumm und stur.
Das wird phänomenal!
Ich schreib‘ um Kopf und Kragen mich,
Falle durch für dich,
Ganz legal!
Nr. 21 (Eva)
... Drum: Hänschen klein, willst Pfeiffer sein, dann häng‘ dich mächtig rein!
Du bist noch weit entfernt davon, ein Gentleman zu sein.
Willst du für dich gewinnen mich, nimm‘ dir ein Beispiel an
Dem wahren Doktor Pfeiffer! Das wär‘ ein richt‘ger Mann!
Doktor Johannes Pfeiffer! Das wär‘ der richt‘ge Mann!
Nr. 22 (Pfeiffer)
... Gleich Morgen gebe ich euch eine Galavorstellung!
Habe noch einmal die Ehre und fühl‘ mich wieder jung.
Ihr bekommt `ne Gänsehaut, die euch nicht so schnell verlässt…
Ich geh‘ mit einem großen Knall,
von dem sie reden überall!
Ich geb‘ der Sache nur noch einen letzten Schliff
Und erst dann hat das Ende richtig Pfiff!
Nr. 23 (Oberprimaner & Mädchen des Lyzeum)
Nr. 24 (Tutti, Finale)
... Dies ist ein Loblied auf die Schule,
Doch kann es sein, dass sie's nicht merkt.
Und stimmst du ein in unser'n Jubel,
Hast du's noch nicht ganz verlernt.
Würd'st du's nochmal probier'n?